3. Oktober. Die deutsche Einheit wird gefeiert. Doch welche eigentlich? Laut Wikipedia sind 1990 die ostdeutschen Bundeslaender der foederalistischen BRD beigetreten. Ohne jetzt eine Diskussion ueber die Verlaesslichkeit von Wiki-Artikeln lostreten zu wollen faellt mir doch da als allererstes das Wort *Geschichtsfaelschung* ein.
Warum?
Die ostdeutschen Bundeslaender sind nicht gefragt worden. Sie sind beigetreten worden – vom Westen. Niemand ist gefragt worden, als sich der ehemals souveraene Staat ‘Deutsche Demokratische Republik’ in Wohlgefallen aufloeste. Oh ja, Ihr lieben Mitbuergerinnen und Mitbuerger und Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und nicht zu vergessen die Steuerhinterzieher.
Es war zunaechst schon Wohlgefallen – zumindest so lange der ehem. DDR-Buerger sein Begruessungsgeld noch nicht versoffen und ein Anrecht auf eine anstaendige Zahnbehandlung hatte.
Es war auch noch Wohlgefallen angesagt, so lange die Wessis ihren alten Opel an die Ossis zu horrenden Preisen verscherbeln konnte. Manche von Euch erinnern sich vielleicht: Die Gebrauchtwagenpreise haben sich die ganze erste Haelfte der Neunzigerjahre nicht mehr richtig erholt. Dafuer erholten sich die neuen Bundesbuerger auf Malle und die Wirtschaftsbosse auf Hawaii, denn der der dicke fette Kanzler hat allen Unternehmen die Steuern gestrichen um Arbeitsplaetze zu schaffen. Und so konnten die Wirtschaftsbosse auch noch die Steuerberater entlassen und volkswirtschaftlich ging der Schuss nach hinten los.
Heute, siebzehn Jahre nach dem Fall der Mauer 1989, ist die Schere im Kopf nach wie vor praesent. Und selbst die Ossis moegen sich selbst nimmer. Wer kann, flieht aus den strukturarmen Gebieten, die frueher prosperierende Kolchosen beherbergten und heute gibt es zwar fast flaechendeckend Strom und Wasser (selbst in Thueringen) doch kaum noch Menschen, die sich dies leisten koennen.
Erstaunlich eigentlich, wie es die Politiker immer wieder schaffen, die sog. Wiedervereinigung, die ja nur eine widerliche Verarschung war, schoen und gut zu reden.
“Die Menschen wurden befreit”, ruft da jemand aus den hintersten Raengen.
Doch welche Freiheit gab man ihnen? Die Freiheit sich den Arbeitsplatz selbst zu suchen? Im Stich gelassen vom Arbeitsamt, das noch nicht mal mehr Umschulungen bezahlt? Die Freiheit dort Urlaub zu machen, wo es der frischgebackene Staatsbuerger wuenscht? Mit 100 DM Begruessungsgeld? Die Freiheit endlich demokratisch waehlen zu koennen? Warum waehlen dann dort so viele entweder die alten SED-Seilschaften oder geich die Nazis? Warum pendelt sich die Wahlbeteiligung in den neuen Bundeslaendern jetzt bei knapp 60% ein?
Vielleicht ging das damals ja alles zu schnell. Politikverdrossenheit als erste demokratische Lehre nach vier Wahlperioden ist ein Armutszeugnis. Nicht fuer die Buerger der neuen Bundeslaender – sondern fuer eine Politik, die sich nicht um die Menschen kuemmert und daher auf allen Ebenen unglaubwuerdig geworden ist.
Selbst mit einer Kanzerlin and der Spitze, die aus Mecklenburg Vorpommern stammt, hat sich daran nichts geaendert.
Da einzige, was den Ossis geblieben ist, ist unsere Hauptstadt. Ja, auch wenn es im Westen niemand wahrhaben wollte, so war zwischen 1949 und 1989 Berlin die Hauptstadt Deutschlands. Um nach der Wiederverarschung den Ossis nicht auch noch die Hauptstadt wegzunehmen wurde der Solidaritaetszuschlag eingefuehrt mit dessen Hilfe der teuerste Umzug der Geschichte finanziert werden musste. Natuerlich sehe ich ein, dass diese Geld nicht zum Fenster rausgeschmissen war. Denn von Berlin aus kann man besser regieren, als von Bonn dessen Naehe zu Koeln ja schon gegen einen Regierungssitz spricht. (Hab ich schon mal geschrieben, dass ich Koeln hasse? Nein? Dann sei es hiermit geschehen.) Auch der Verfassungsschutz musste von Muenchen nach Berlin umziehen. Irgendwie ist Muenchen – zumal ohne Magnetschwebebahnanschluss an einen Flughafen – eine verdammt schlechte Ecke um die Buerger zu ueberwachen. Das hat man ja gesehen, als sich in den Siebzigerjahren der Terrorismus in der BRD breit machte. Zuerst die Anschlaege auf das olympische Dorf und dann die RAF. Der Verfassungsschutz hatte schlicht keine Chance von Pullach aus zu operieren. Noch nicht mal bei dem Massaker waehrend der olympischen Spiele – und das waren ja nur ein paar Kilometer.
Aber heute ist ja Tag der deutschen Einheit und wir sind uns alle einig, dass die Kosten fuer die Wiederverarschung kein zu hoher Preis war, den unsere Demokratie bezahlen musste – auch wenn ein Grossteil des Geldes (wie immer) in dunklen Kanaelen versackte und nie wieder auftauchte.
Wir sind uns alle einig, dass die Renten sicher sind – sie sind sicher zu niedrig.
Wir sind uns alle einig, dass Wahlmaschinen in Zukunft die Demokratie gerechter machen – denn wenn erst die Demokratie automatisiert ist, wird auch die Qual der Wahl zu einem Event, den der Buerger als unbeteiligter Beobachter ganz ohne persoenliche Anstrengungen hilflos mit ansehen darf.
Wir sind uns alle einig, dass bei nunmehr so vielen Buergern der Staat viel weitgehendere Ueberwachungsmassnahmen benoetigt, um die wahren Beduerfnisse der Buerger zu kennen und dass dafuer kein Preis zu hoch ist – auch nicht die Aufgabe von Freiheiten, die viele Buerger der ehemaligen DDR erst vor siebzehn Jahren erlangt haben.
Und vor allem sind wir uns darin einig, dass der Abbau des Sozialstaates die Eigeninitiative der Buerger foerdert. Die soziale Haengematte war ein struktureller Irrtum. Wettbewerb und Engagement fuehren zu Wohlstand und Zufriedenheit und nicht Sozialhilfe fuer alle. Noch nie gab es so viele Ich-AGs wie heute. Insbesondere Manager und Wirtschaftsbosse koennen heute schon mit einem einzigen Jahresgehalt an die Boerse gehen und somit eine echte Ich-AG gruenden. Denn die Ich-AG steht stellvertretend fuer den Egoismus der an die Stelle des ‘WIR’ tritt. Nicht ‘WIR’ sind das Volk sondern ‘DU’ bist Deutschland. ICH bin Deutschland.
Aber wenn ich Deutschland bin, was ist dann Peter Hartz? Ein Vaterlandsverraeter?! Der hat immerhin versprochen die Arbeitslosigkeit mit seinen Massnahmen zu halbieren. Zwei Jahre spaeter waren mehr Menschen arbeitslos als zuvor und Peter Hartz kuendigte selbst dreissigtausend Entlassungen bei VW an. Waere ICH Deutschland wuerde ich Peter Hartz an die Wand stellen lassen fuer diese Unverschaemtheit, die den Steuerzahler ueber eine Milliarde Euro allein bei der Umstrukturierung des Arbeitslosenamtes gekostet hat.
Waere ich Deutschland wuerden noch eine ganze Menge anderer Koepfe rollen. Und so kann man froh sein, dass die Dummschwaetzer der Agentur Jung v. Matt in Hamburg, die sich diese idiotische Kampagne von den Nazis ausgeliehen haben, nur heisse Luft verblasen so wie Roland Berger, die McKinseys und alle anderen Heisslufttrockner aus dem beratenden Gewerbe. Denn waere ich Deutschland … tja was dann? Was wuerd’ ich machen wenn ich Koenig von Deutschland waer? Einen Rio Reiser Gedenktag einfuehren?
Nein. Ich wuerde mich auf die guten alten Werte Deutschlands besinnen und Militaerparaden abhalten, den Kindern Faehnchen in die Hand druecken, die Nationalratswahlen in Österreich fuer ungueltig erklaeren und die armen Ostmaerkler heim ins Reich holen. Denn ICH bin Deutschland und habe Erfahrung mit Wiedervereinigungen.
Ach ja – beinahe haette ich es vergessen – bin seit Sonntag (1.10.2006) arbeitslos. Stimmt ja doch: Ich bin Deutschland – oh Scheisse!
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-m*sh- [Sarkasmus inside]
Uh, uh, sarkastisch, sarkastisch…da hat einer schlechte Laune…(?). Um nur eins zu erwidern: die DDR-Bürger brauchten gewiß nicht gefragt werden, was sie wollten. Sie wollten die D-Mark, nichts als die D-Mark. Konsum – endlich! “Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr!” – harhar!
Hast du das Bild oben nicht gesehen. Man hat mich zum Krueppel gemacht und ICH HABE SCHEISS-LAUNE!!!!
SCHON SEIT WOCHEN!
:-]]
-m*sh-
Oh, sorry – habe gerade die Krankenakte gelesen. Davon kann einem ja schlecht werden! Mein Beileid…
16 Jahre wiedervereinigt – top oder Flop?!Schuld an allem sind ja die Juden der Adolf Hitler. Mein Gott, hätte er den Krieg nicht angezettelt, wo könnten wir heute stehen?? Doch halt. Solches Denken funktioniert nicht, eine andere Geschichte als die stattgehabte ist schlicht unmö…