… ist Elternabend angesagt. Die Lehrer stellen sich vor, machen ein paar spitze Bemerkungen ueber ihre Schuetzlinge ( “Nobelpreistraeger sind leider keine in dieser Klasse” ) und die Eltern mit Profilneurose echauffieren sich ueber unwichtige Detailfragen, die niemand gestellt hat.
Theoretisch keonnte man das Prozedere also auf knapp zwei Minuten zusammenstreichen, wenn jeder seinen Senf fuer sich behaelt – zumindest den Senf, der die anderen nicht interessiert. Da heute Elternabend fuer unsere beiden Toechter gleichzeitig angesagt war, teilten wir uns auf: Ela geht zu Tochter Nummer 2 (T2 – 9. Klasse) und ich zu T1 (10. Klasse).
Zuerst ein paar Worte des Klassenlehrers, bei denen ich beinahe eingeschlafen waere. Mache mir also einen mentalen Vermerk, dass ich es T1 nicht veruebeln kann, wenn sie dort im Unterricht (Mathe und Physik) nicht folgen kann.
Der Mann leiert wie eine alte Drehorgel, an der ein Aeffchen kurbelt. Stundenlang, so will mir scheinen, klaert er die Eltern ueber die geplanten Aktivitaeten auf.
“SNAFU”, haette ich an die Tafel geschrieben und dem Mann somit eine Menge Palaver erspart. In einem Satz: Es wird pro Halbjahr einen Klassenausflug geben, die Schule hat kein Geld und wenn doch noch welches aus der Landeshauptstadt eintrudeln sollte, gibt es am Jahresende Projekttage.
“Was ist denn an diesen Projekttagen genau geplant”, will ein besorgter Vater in akkurat gebuegeltem, bluetenweissem Hemd und einer graesslichen Krawatte um den Kragen, wissen und streichelt sich dabei ueber den Bauch, als haette er gerade die sieben Geisslein gefressen.
Ich haette ihn killen koennen.
Obwohl – wie eingangs erwaehnt – die Durchfuehrung von Projekttagen noch in den Sternen stand und realistisch betrachtet vermutlich noch unwahrscheinlicher war, als die Chance auf dem Heimweg vom Blitz getroffen zu werden, erging sich der Klassenlehrer nun in der Aufzaehlung von erfolgreichen Aktionen, die frueher – als noch genug Geld da war – an dieser Schule zum Schuljahresende im Rahmen der Projekttage durchgefuehrt wurden: “Filzhuete basteln, Kuckucksuhren (die hier im Schwarzwald eine lange Tradition haben), aber auch aktive Sachen wie Fussball und Beach-Volleyball”, zaehlt der Herr Dr. Klassenlehrer auf.
Obwohl sich die Begeisterung hierfuer bei den meisten Eltern noch deutlich in Grenzen haelt kommen nun konkrete Zwischenfragen. Ob es denn nicht sinnvoll waere die Fussballmannschaft schon am Jahresanfang zusammenzustellen, damit dann rechtzeitig zu den Projekttagen auch die noetige Fitness und (Zitat:) Performance auf dem Platz erreicht werden kann.
Aaarggh!!
Ich blicke meinen Tischnachbarn an, Vater eines Sohnes und gekleidet, als kaeme er von einer Beerdigung. Der blickt mich an und wird ploetzlich zutraulich: “He he, Fussball haben wir freuher auch gerne gespielt.”
In dem Moment ermahnt uns der Klassenlehrer “das Schwaetzen da hinten bitte” einzustellen, damit man die restlichen Tagesordnungspunkte auch noch durchsprechen koenne, und errinnert mich somit daran, dass ich hier im komplett falschen Film bin.
Mittlerweile sind auch noch andere Lehrer eingetroffen, die offenbar von Klassenzimmer zu Klassenzimmer pilgern und sich den Eltern vorstellen. Ich ueberschlage das Szenario: elf Faecher insgesamt, also sicher acht Lehrer, die sich hier vorstellen und jeder labert knapp zehn Minuten: dauert also noch eine Stunde. Uff.
Ich zaehle die Sekunden herunter von 3600.
Bei hundertneunzehn uebernimmt der Klassenlehrer (der sich waehrend dieser Zeit in anderen Klassen vorstellte und nun wieder zurueckgekehrt war) erneut den Part des Moderators. Er schwitzt unter den Achseln und ist sichtlich ueberfordert, die nun folgende Wahl des Elternvertreters zu moderieren. Bzw. es gibt keine Kandidaten und somit auch keine Wahl.
Das Bloede ist nur, dass hier erklaertermassen keiner rauskommt, bevor nicht zwei Elternvertreter gewaehlt sind. Fuer den Bruchteil einer Sekunde erwaege ich die Moeglichkeit, mich zur Wahl aufstellen zu lassen – einfach nur damit ich hier heute noch rauskomme. Stattdessen fange ich jedoch wieder von vorne an: 3600, 3599, 3598 …
Bei 2971 muss ich mich gegen eine rotblonde, arrogante Kuh zur Wehr setzen, die bereits als Kandidatin feststeht und daher nichts zu verlieren hat. 2970, 2969, 2968 … Ich sage einfach nichts und grinse daemlich.
‘Kim Jong Il hat eine Atombombe und du hast gar nichts mit dem du mir drohen kannst’, denke ich. 2954, 2953, 2952 …
Schneller als erwartet, laesst Frau Dr. Rosnick, so der Name der frisch gebackenen Elternvertreterin, von mir ab und widmet sich dem Naechsten. Schliesslich hat sie einen Gefunden. Ein Maennchen ohne Rueckgrat, das den Eindruck macht, als wuerde er es keine weiteren fuenf Minuten ohne Zigarette aushalten.
‘ Drogensuechtige kippen in so schwierigen Situationen immer am leichtesten um ‘, denke ich und frage mich, ob Frau Dr. Rosnick nicht vielleicht ein Alkoholproblem hat.
Dann geht alles furchtbar schnell; offenbar ist jeder froh, hier bald rauszukommen.
Draussen auf dem Flur treffe ich Ela. “Bist du’s?”, fragt sie mich schon von weitem. Grinsend, und nicht ohne Stolz schuettle ich den Kopf.
“Und Du”, will ich wissen und platze fast vor Neugier. “Nein” antwortet sie und faellt mir lachend um den Hals.
Aus dem Augenwinkel sehe ich Frau Dr. Rosnick, die gerade an uns vorbeitigert und einen Flachmann aus dem Mantel zieht, womit mal wieder bewiesen waere: Drogen versauen den Charakter.
-m*sh-
Das große Zauberwort wird für mich demnächst WAHLVORSTAND heißen.
Die genausomeinteich Besucherin
Herzliches Beileid
-m*sh-