OP-Termin

Posted: 3rd November 2006 by mash in Uniklinik
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Okay, die gute Nachricht zuerst: Die OP ist vorbei, -m*sh- ist noch am Leben, aber auch diese Uniklinikerfahrung ist etwas, auf das ich durchaus haette verzichten koennen.


Donnerstag 5:55 Uhr MEZ. Wecker schrillt.
Heute ist leider kein Tag, an dem man sich noch einmal herumdreht, den Wecker Wecker sein laesst und sich sagt: “Scheiss drauf!”
Immerhin hab’ ich einen Haufen Stress veranstaltet, um diesen OP-Termin zu bekommen, also sollte ich nun nicht derjenige sein, der es versiebt.

Ich darf keinen Kaffee trinken und nichts Essen und schon gar nicht rauchen. So bleibt mir nur die kalte Dusche zum wach werden.
Doch nicht nur die Dusche ist kalt – in der gesamten Wohnung herrschen Minusgrade. Offenbar ist draussen die Hoelle zugefroren und irgendjemand hat vergessen, im Wohnzimmer das Fenster zuzumachen.
Waehrend ich versuche, die Eiszapfen, die mir nach dem Haarewaschen in Straehnen vom Haupt haengen, in eine wie auch immer geordnete Form zu bringen klingelt das bestellte Taxi.
Dann eben nicht. Heute gehe ich ohne Frisur aus dem Haus; schliesslich will ich ja nicht zu einem Schoenheitswettbewerb. Schnell noch ein gutes Buch eingepackt und ab ins kuscheligwarme Taxi.

Ich melde mich auf Station Stromeyer an und die schicken mich gleich weiter zu Station Krauss, weil naemlich irgendwie alles wieder umorganisiert werden musste. Zum Glueck bin ich – so ganz ohne Kaffee – viel zu muede, um mich aufzuregen. Auf Station ‘Krauss’ weiss man wenigstens schon Bescheid und eine Schwester weist mir ohne ueberfluessige Formalitaeten ein Zimmer zu, das weder ueber ein Bad noch eine Toilette verfuegt. Meine Begeisterung haelt sich in verstaendlichen Grenzen – mein Durst mittlerweile nicht mehr.

Doch ich muss nuechtern bleiben bis zur OP.
So ganz ohne Kaffe schaffe ich es praktisch aus dem Stand und innerhalb weniger Sekunden einzuschlafen, was die Warterei auf angenehme Art und Weise verkuerzt.
Kurz vor zehn Uhr weckt man mich.

Pfleger: “Herr H.” [ruettelt an der(!) Schulter]
-m*sh-: “Aaaaaaarrrghh! Whhaaa?!?”
Pfleger: “Haben sie eine Patientenverfuegung?”
-m*sh-: “Ja”

Zugegeben, die Frage nach der Patientenverfuegung kam mir schon komisch vor so kurz vor der OP.

Pfleger: “Zeigen sie her”
-m*sh-: “Haeh?”
Pfleger: ” Die Patientenverfuegung.”
-m*sh-: “Aehem, die ist zu Hause.”

Pfleger [sarkastisch]: ” Da liegt sie gut”
-m*sh- [krustelt in seinem Rucksack]: “Hier ist mein Organspenderausweis, das sollte fuer Ihre Zwecke ausreichend sein. Aber nix bei e-Bay verscherbeln …”

Okay, irgendwie hatte der Mann keinen Humor, aber unser Gespraech wird in diesem Moment sowieso von Frau Dr. Maier unterbrochen, die urploetzlich aus dem Nichts auftaucht und sich mitten im Zimmer materialisiert. Mit Frau Dr. Maier hatte ich schon vor vier Monaten zu tun und jetzt erklaert sie mir freudestrahlend, dass sie die OP hoechstpersoenlich durchfuehren wird, was mich a) erfreut und b) verwundert. Ich werfe einen erneuten Blick auf das Namensschild an ihrem Kittel und da steht immer noch Frau Dr. A. Maier Oberaeztin. Und nicht Assistenzaerztin. Seltsam – hat mir doch erst noch am Dienstag abend mein Freund Hans, der seines Zeichens Arzt ist, erklaert, dass eine derartige OP lediglich von absoluten Anfaengern zum Ueben gemacht wird. Ich habe jetzt keine Ahnung wie der Hans das gemeint hat, interpretiere das aber mal so, dass ich nichts zu befuerchten habe, weil da ohnehin nichts schiefgehen kann.

Frau Dr. Maier drueckt mir jetzt so einen Roentgenwisch in die Hand und schickt mich (immer noch ohne Kaffee!) fuer die Vorher-Nachher-Aufnahmen nach unten.
Ich trotte also zum Roentgen und waere dort ebenfalls beinahe wieder eingeschlafen, wenn der Metallbuegel vom Sackschutz nicht so schweinekalt gewesen waere.

Zurueck vom Roentgen in meinem Zimmer geht schlagartig die Hektik los. “Da sind sie ja endlich”, keift eine Schwester und der Pfleger winkt mit den Thrombose-Stockings. Ich bin mir keiner Schuld bewusst, unterwegs getroedelt zu haben, aber um mich herum tun nun alle so, als wuerde die OP nicht stattfinden, wenn wir nicht in weniger als zwei Minuten im OP sind.
Schnell schlucke ich die Leck-Mich-Am-Arsch-Tablette mit einem Schluck Wasser (Wasser – Wasser – lechz!) und ziehe mich fuer die OP um. Dann geht es Holterdiepolter durch die Stationen, Aufzuege und Gaenge.
Nur der Pfleger, der mein Bett schiebt, bleibt ruhig. Er wird sogar zutraulich, was bei mir ein wenig seltsam ankommt, da er mich mit den Fuessen voran schiebt und ich ihn nicht sehen kann, waehrend wir miteinander reden.

Pfleger: “Sie haben schoene Haare.”
-m*sh-: “!?”
Pfleger: “Wie lang tragen sie die schon so lang?”
-m*sh-: “Schon lang.”
Pfleger: “Ach soo lang …”

Es ist jetzt definitiv zu spaet, einen Vermerk auf meinen Organspenderausweis zu machen, dass ich die frischgewaschenen Haare nicht in das Portfolio meiner zu spendenden Organe aufgenommen wissen moechte, hoffe aber stark, dies im Falle meines Ueberlebens nachholen zu koennen.

Bevor ich diesen Gedanken zu Ende spinnen kann, erreichen wir die OP-Vorbereitung und dort begruesst mich eine Narkosearztin, deren Namen ich mir nicht merken konnte, weil sie praktisch ohne Umschweife zur Sache kam. Sprich: sie verpasste mir eine Thrombosespritze in den Oberschenkel und eine Betaeubungsspritze in den linken Arm. Waehrenddessen fragt sie mich nach meiner Patientenverfuegung und verwirrt mich dadurch vollends.
Das ist jetzt die vierte OP und bisher hat niemand vorher nach meiner Patientenverfuegung gefragt – und heute gleich zwei mal. Zum Glueck habe ich die Leck-Mich-Am-Arsch-Tablette schon intus, sonst haette ich womoeglich noch Verdacht geschoepft.

Tja, vom Rest der OP weiss ich nicht wirklich viel zu berichten, da sie im Gegensatz zum letzten Mal unter Vollnarkose stattfand – und diese Narkose war echt ein Hammer. Das wurde mir beim Aufwachen schlagartig klar. Jeder Versuch dies jetzt und hier in Worte zu fassen, ist praktisch zum Scheitern verurteilt, weil die Zeichen, die man dafuer benoetigt auf meinem PC nicht installiert sind. Nur so viel: Es ist, als waere man so besoffen, dass man gleich Kotzen muss und dabei hat man bereits den Kater, den man eigentlich erst am naechsten Tag haben sollte.

Vorsichtig taste ich mit der linken Hand nach meinen Haaren und zaehle nach – noch alle da. Puh, Schwein gehabt!
Ein Zivi schiebt mich zurueck auf Station. Allerdings nicht zurueck auf Krauss, sondern auf Brauer. Das ist nicht mal mehr Chirurgie oder Orthopaedie wo ich eigentlich hingehoere, sondern Thoraxchirurgie. Und genau da tut es auch am meisten weh.
Schaetze, das mit dem Intubieren muessen wir noch mal ueben!
Das war sicher so ein Assistenzarzt, der das zum ersten Mal gemacht hat …

Auf Station Brauer angekommen komme ich in ein schnuckeliges Zimmer (ohne Bad und Toilette!) und werde nach meinen Essenswuenschen gefragt.

-m*sh-: “Ich nehm’ die Shrimps in Madeira mit Blaetterteig…”
Schwester: “Vollkost oder Schonmagen.”
-m*sh-: “Dann lieber gar nichts.”
Dankend winke ich ab. Allein das Wort ‘Schonmagen’ fuehrt bei mir zu erheblicher Uebelkeit; will doch mein Magen heute tatsaechlich geschont werden.

Ausserdem wundere ich mich ueber die Tatsache, dass man mir etwas zum Essen anbietet. “Wenn alles gut geht, duerfen sie abends wieder nach Hause”, hiess es noch vor wenigen Tagen und auf allen Zetteln, die ich unterschrieben habe, war von einer ambulanten OP die Rede. War etwa irgendetwas schiefgelaufen? Wieso lag -m*sh- nun auf der Thoraxchirurgie? Wer waren die sonnenbebrillten Maenner in dunklen Anzuegen, die man allenthalben drausssen vor der Tuer sehen konnte, denen man eine gewisse Aehnlichkeit mit den Agenten aus Matrix nicht absprechen konnte?
Doch die seltsamste Frage war die: “Warum hatte ich keine Schmerzen in der Schulter?”
Immerhin hatte ich explizit nur Narkose aber keine Schmerztherapie gewuenscht.
Frau Dr. Maier hatte ihre Arbeit wohl wirklich gut gemacht. Oder mein Freund Hans hat Recht und eine derartige OP schafft jeder Anfaenger blind und mit links.

Fragen ueber Fragen.
Mein Zustand liess es bedauerlicherweise nicht zu, mir ueber all diese Fragen den Kopf zu zerbrechen, weshalb ich es vorzog, eine Art Blutverzichtserklaerung zu unterzeichnen und das Weite zu suchen.

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-m*sh- [sarkasmus inside]