Da kommt man aus dem Urlaub und der Gefrierschrank ist so leer wie das Konto. Doch bevor man die Kuehltruhe wieder befuellt, vergeht einem der Appetit, da die Zeitungen voll sind mit Gammelfleisch und den dazugehoerigen Skandalen. Was tun? Man entzieht sich dem Problemkreis, indem man beim Bauer eine Kuh kauft – ganz frisch.
Es war erstaunlich gutes Wetter an diesem Freitag (29.9.2006). Eigentlich haetten wir diese letzten Sonnenstrahlen im Herbst lieber dafuer genutzt, einen Ausflug zu machen, doch die hungrigen Maeuler meiner Familie auf der einen und der Gammelfleischskandal auf der anderen Seite machten es erforderlich, neue Wege zu beschreiten: Wir kaufen uns eine Kuh.
Bzw. wir hatten die Kuh schon am Mittwoch gekauft und der befreundete Schlachtermeister versprach, die Einzelteile (also die verstorbenen Ueberreste – denn so muss es richtig heissen und nicht:”die sterblichen Ueberreste”) am Freitag mittag um 15:00 Uhr zur Abholung bereit gestellt zu haben.
So luden wir am Freitag Mittag diverse – extra gesaeuberte – Transportkisten fuer die Einzelteile in unseren Peugeot und fuhren zum Schlachter, wo wir die frischen, roten Fleischklumpen – eine Blutspur auf dem hellen Parkplatz vor dem Schlachthof hinterlassend – ins Auto verluden.
Es war aergerlich ausgerechnet einen Tag mit so schoenem Wetter, damit zuzubringen, die Einzelteile eines ‘Bos Taurus’ in Gefrierbeutel verpacken zu muessen. Doch was tut man nicht alles, um seiner Familie eine gesunde Ernaehrung zu bieten. Irgendwie waren sowohl Ela als auch ich selbst nicht ganz gluecklich angesichts dieser uns bevorstehenden Pflicht uns wir mussten uns beide schwer zusammenreissen die vor uns liegende Aufgabe anzugehen.
“Sollen wir noch einen Prosecco trinken gehen?” erkundigte sich Ela als wir auf der Rueckfahrt das Eiscafe passierten, das unseren Kindern normalerweise als Stammkneipe dient. Doch angesichts der Leiche im Kofferraum verneinte ich (schweren Herzens). Sah ich uns doch vor meinem geistigen Auge bereits total versacken, die Kuh vergessend und einen Do-It-Yourself-Gammelfleischskandal im eigenen Auto produzierend …
Okay, ich bin Softwerker und fuer Hardwareprobleme fuehle ich mich in der Regel nicht zustaendig, aber zu Hause angekommen machte ich mich trotzdem daran, die Messer zu wetzen. Eine Kuh ist ein ziemlich grosses Tier und der Metzger hat sich zwar die Muehe gemacht, alles schon mal vorsortiert in mehrere Kilo schwere Stuecke zu zerlegen, aber mundgerecht oder sonstwie brauchbar war das alles noch nicht. Das Tier musste noch weiter zerkleinert werden und die Zeit arbeitete gegen uns. Die Paranoia irgendetwas falsch zu machen, die frischen Nahrungsmittel zu kontaminieren, zu zoegerlich an die Arbeit zu gehen und letztlich einen verwesenden Kadaver einzufrieren war gross. Wir schnitten, saebelten, schnibbelten und sortierten in einem Wettlauf gegen die Zeit. Blut spritzte und Miko unsere Katze verwandelte sich vom Stubentiger in eine kaum noch zu baendigende Raubkatze, die wir schliesslich in der Besenkammer einschliessen mussten.
Der Geruch von Blut und Eiweiss fuellte unsere Kueche.
Insgesamt also eine ziemliche Schweinerei – bzw. in diesem Fall eher eine Rinderei – die wir da veranstalteten. ‘Unterdrueckter Ekel’ duerfte wohl meine Stimmung an diesem wunderbaren, sonnigen und milden Herbstnachmittag am besten beschreiben.
Stunden spaeter, ich wollte schon gar nicht mehr daran glauben, diese widerliche Taetigkeit irgendwann einmal beenden zu koennen, hatten wir es dann doch geschafft. Die letzten Gefrierbeutel wurden (nach akkuratem Abwiegen) beschriftet und in unsere Kuehltruhe verfrachtet. Der Appetit auf ein Abendessen war mir ebenso vergangen wie die Lust auf einen Prosecco.
“Ich muss dringend an die frische Luft”, sagte ich zu Ela nachdem ich mir das Blut von den Haenden gewaschen hatte. Ela nickte. Auch sie war ein wenig bleich und meinte, dass sie nichts gegen einen Spaziergang einzuwenden haette.
Wir zogen uns also Schuhe an und sogen draussen die frische Landluft tief ein.
“Das war ein Scheiss-Job”, sagte ich nach einer Weile.
“Mhm”, murmelte Ela zustimmend.
“Was meinst Du, was ist ekliger, dieser Schlachterjob oder einfach Gammelfleisch bei Edeka kaufen?” wollte ich wissen.
“Ich weiss es nicht”, hauchte meine Lebensgefaehrtin kaeseweiss im Gesicht.
Nachdenklich liefen wir weiter.
“Vielleicht sollten wir uns tatsaechlich Gedanken ueber eine vegetarische Ernaehrung machen”, schlug ich schliesslich vor.
“Vegetarisch?!” Die Emporung in Elas Stimme war unueberhoerbar. Sie ist ein absoluter Fleischfan.
Gesenkten Hauptes und ziemlich bedrueckt liefen wir weiter.
“Oder wir sollten nur noch vegetarische Kuehe essen”, schlug ich vor als wir das Ende unseres Dorfes erreicht hatten.
Ela blickte mich verstaendnislos an.
“Schau die suedbadischen Bauern haben angesichts der Gammelfleischskandale eine alte Tradition wieder zum Leben erweckt”, erklaerte ich und zeigte auf die Kuh , die in fuenfzig Meter Entfernung auf der Weide lag. “Man muss das Rindfleisch zu Stroh spinnen, so lange es noch warm ist.”
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-m*sh-
Da fällt mir nur das hier ein, hab ich neulich in irgend nem anderen Blog gesehen:
http://www.attilahildmann.com/steak_selbstgemacht_rezept/wie_macht_man_ein_steak.html
Irgendwie schon hart.
Aber in meinem Kopf ist die Verbindung zwischen “Kuh auf der Weide” und “Steak” noch nicht existent. Sobald ich verstehe, dass das genau das Gleiche ist, bin ich glaub ich Vegetarier…
Hilfts, wenn ich sage, dass ihr wenigstens ne glückliche Kuh gekauft habt? Das tut mir nämlich am meisten leid: mir zu überlegen, wie die Tiere vor sich hin vegetieren mussten. Wie man mit denen umgeht wenn sie sowieso tot sind, ist ja wieder was ganz anderes.
Naja. Angesichts der Waffeln, die meine Schwester gerade macht, nicht das tollste Thema ever…
Naja, die Viecher leben hier auf einer Hochweide in ueber 1000 Meter Hoehe. Daher weiss ich nicht ob die Kuh gluecklich war. Vermutlich hat sie die ganze Zeit gefroren wie ein Schneider und wir haben sie von ihrem Leid erloest 🙂
Danke auch fuer den Link. Solche Bilder haette ich auch liefern koennen, hatte aber Angst waehrend der ganzen Aktion, meine Kamera einzusauen ausserdem wollte ich niemandem das Erntedankfest vermiesen…
-m*sh-
Genau… ihr habt eine gute Tat vollbracht 😉
Aber wenn ich so drüber nachdenke: Respekt. Ich hätts glaub ich nicht gekonnt. Bin da extremst empfindlich. Während meine Eltern “damals” noch beim Schlachten geholfen haben, lebt man heute (glücklicherweise?) weit genug weg von sämtlichen Blutspritzern. Und ist dementsprechend auf fertig filetiertes Fleisch dressiert.
Wenn ich irgendwann mal in der Wildnis ausgesetzt werde, muss ich Würmer zuzeln, während mein Paps seelenruhig die Tiere ausweidet.
Oje, ich muss glaub ich erstmal richtig wach werden… verstehe meine Argumentation grad selbst nicht mehr 😉
hm naja ich weiss, warum ich vegetarier bin 😀
aber selbst wenn ich noch fleisch essen würde, wärs mir glaub ich zu viel so ein ganzes viech zu zerkleinern und einzufrieren… wie du schon sagst, das sind ja leichen, und es ist schon irgendwie seltsam, tiere zu halten um ihre toten körper zu verzehren. mein ich zumindest.
aber is n toll geschriebener artikel!
Ich war mal Vegetarier, aber als (Leistungs-)Sportler wurde es mir zu aufwendig, mich gesund zu ernaehren ohne Fleisch. Und wenn man dann nur npch irgendwelche Puelverchen ins Muesli mischt wirds auch laecherlich.
Und Danke fuer das Kompliment, vielleicht gefallen Dir auch meine anderen Artikel…
-m*sh-
da habe ich auch schon etwas gestöbert 😀
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