Street Symphony ist ein erschuetternder Independant-Kurzfilm ueber Henny – eine verkrueppelte, obdachlose Frau – der sehr nachdenklich macht. In kurzen Szenen werden Menschen aus dem Milieu der Obdachlosen und Bettler vorgestellt, die in Hennys Umfeld agieren und so wenig zum Leben benoetigen, wie sie selbst. Eine Abstellkammer in einer U-Bahnstation dient Henny zunaechst als Zuhause; doch auch dieses Zuhause wird ihr genommen.

Henny will frei sein, ihre Fluegel ausstrecken und fliegen, doch in Wirklichkeit kaempft sie sich nur mit ihrem Rollstuhl durch die Strassen von L.A. und landet ein ums andere Mal zwischen Elend und Ablehnung.

Es bleibt ihr nichts anderes uebrig, als sich immer wieder aufzurappeln; hin und wieder findet sie ihr Glueck in einem kurzen Rausch aus Geschwindigkeit, wenn sie mit ihrem Rollstuhl – manchmal gefaehrlich knapp zwischen vorbeifahrenden Autos – abschuessige Strassen hinabdonnert.

Die krassen Gegensaetze zwischen dem Leben der Penner und der polierten Glasfassade der Wolkenkratzer transzendieren das fremdbestimmte Leben in der modernen Welt, das gepraegt ist von unerfuellbaren Sehnsuechten einerseits und der Unerreichbarkeit der Freiheit auf der anderen Seite; einer Freiheit, die metaphorisch als blauer Himmel immer wieder in den Strassenschluchten sichtbar wird und Henny zum Lachen bringt. Doch ihr freudiges Lachen, ein irres Gluckern, wird ein ums andere Mal harsch von der gnadenlosen Realitaet unterbrochen, der sie ausgesetzt ist.

Ohne Dach ueber dem Kopf ist sie weiter von ihren Wuenschen entfernt als je zuvor, prostituiert sich, verprellt jedoch den ‘Kunden’, der sie daraufhin grausam quaelt. Zwischen Armenspeisung und falschen Freunden bleibt ihr nur ein Ausweg: Hilfe in einem Heim fuer obdachlose Frauen zu suchen.

Doch der Zeitungsausschnitt mit der Adresse, den sie seit ihrem Auszug aus der Abstellkammer bei sich traegt, ist uralt. Das Haus ist laengst abgerissen und zum Schluss irrt Henny auf Kruecken durch den Schutt dessen, was offenbar monate- wenn nicht jahrelang ihre letzte Hoffnung gewesen war.

Doch nach wie vor strahlt der Himmel in unschuldigem Blau eine nichtvorhandene Hoffnung aus, waehrend Henny desillusioniert weiter in ihrem Rollstuhl durch die Strassen duest.

Ein Film kann kein Abbild der Wirklichkeit darstellen, sondern lediglich Beziehungen herstellen, Gedanken in Bilder umsetzen und dadurch auch manchmal Ursache und Wirkung aufzeigen. Street Symphony haelt sich daher auch nicht mit langatmigen Erklaerungen auf sondern beschraenkt sich auf die Darstellung einer (scheinbar?) ausweglosen Situation in der Henny gefangen ist und wartet auch nicht mit Loesungen fuer dieses Dilemma auf. In Hennys Wirklichkeit fuehrt jede Episode ihres Lebens zu einer Enttaeuschung. Am Ende fragt sich der Zuschauer wie es ein Mensch schafft in einer solchen Umgebung weiterzuleben mit all den Demuetigungen. Doch die kleine Gruppe von Menschen mit denen Henny interagiert steht stellvertretend fuer die Gesellschaft, die uns umgibt, die uns manchmal etwas gibt, oft aber nur ausbeutet und in der die Entfremdung so omnipraesent ist, dass wir sie ueberhaupt nicht mehr wahrnehmen.
Am Ende muss Henny feststellen, dass sie zu lange gezoegert hat, Hilfe anzunehmen. Doch ob diese Hilfe tatsaechlich einen reellen Ausweg aus ihrer Situation bedeutet haette, bleibt offen.

“Street Symphony” – Samstag 2. Juni 20.15 Bibel TV (Erstausstrahlung in deutscher Sprache)

Anm.: Zusaetzlich zum Film gibt es ein Interview mit der Produzentin und Hauptdarstellerin Patricia Netzer, die auch in dem oskarnominierten Film “Der Untergang” mitwirkte.

Wer Bibel TV nicht empfangen kann, mag vom Livestream-Angebot des Senders Gebrauch machen.
-m*sh-

  1. Hi,
    schade habe den Eintrag leider zu spät gesehen. Habe zwar kein Bibel TV (was ist das überhaupt für ein Sender, nie gehört)
    Hätt ich mir gern angeschaut. Merke mir den Titel.