Was ist Kunst?

Eine Frage, bei deren Beantwortung ich keinesfalls für mich in Anspruch nehme, mit einem allgemeingültigen Wertesystem eine Definition liefern zu können.
Dazu sind die Kulturen (und Religionen!) zu unterschiedlich.
Des weiteren gibt es vollständig unterschiedliche Kunstformen – Literatur, Malerei, Bildhauerei, Musik etc.
Dieser grundlegenden Klassifizierung ist ein Merkmal gemeinsam: die primäre Erfahrbarkeit.

+ Lesen laueft in der Phantasie des Lesers ab; im Bewusstsein
+ Malerei wird visuell wahrgenommen
+ Bildhauerei ebenso; aber u.u. auch vom Tastasinn
+ Musik wird durch das Gehör wahrgenommen

Eine einfache Defininition von Kunst könnte also lauten:
Wenn ein Werk in der Lage ist, mehr als nur ein, oder zwei der Primärsinne anzuregen, kann man es als Kunst bezeichnen.

Musik kann Gefühle auslösen und Bilder (auch abstrakte Kunst), sowie Musik können Geschichten erzählen.
—cut—

Damit waere ich vermutlich noch Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts durchgekommen.
Aber schon damals haben sich Kunstformen etabliert, die ‘per se’ mehr als einen Sinn ansprechen: der Film.

Ich mag den Begriff Multimedia nicht sonderlich, weil er erfahrungsgemaess nur ein Buzzword ist.
Ein Film (Multimediaobjekt) ist also keine Kunst ‘per se’, nur weil er Bild und Ton hat.
Im Gegenteil ein Film hat es viel schwerer, einen weiteren Sinn zu phantasievollen Leistungen anzuregen.

Natürlich gibt es auch Kunst in Computerspielen, sogar Kunst im Quellcode eines Computerprogramms.
Ich erachte viele Computerprogramme, die ich schrieb als Kunstwerke. Nicht wegen dem, was der Anwender sah oder sieht, sondern wegen dem genialen Code.
🙂

Bachs “Kunst der Fuge” hat beispielsweise einen mathematischen Background. So etwas setzt man heute mit Computern und Synthesizern um. Vor dreissig Jahren haben wir noch Kabel gelötet, um elektronische Musik zu machen. Stockhausen, der die elektroakustischen Möglichkeiten über dreissig Jahre nach der Erfindung der elektrischen Gitarre von den Instrumenten befreite, war ein Pionier. Ein Vorreiter – und starb diese Woche.

Stockhausens Philosophie weist ein Merkmal auf, das sich darauf bezieht, dass Kunst vorrangig im Verstand abläuft und nicht (ausschliesslich) im Gefühl. Wobei die Ästhetik eines Algorithmus genauso Gefühle hervorzurufen in der Lage ist, wie der Hall des Kölner Doms, den Stockhausen mit Tonbandgeräten bewaffnet ebenso für seine Zwecke benutzt hat.

Zu Lebzeiten wurde sein Werk nur theoretisch gewürdigt, womit sich meines Erachtens die Frage nach der Kunst in seinem Schaffen nicht mehr stellt.
Er hat seine Definition von Kunst durchgezogen. Aber er hat eine sehr kontrovers diskutierte Äusserung bzgl. des 11.9.2001 gemacht indem er die Anschläge als “Kunst” apostrophierte.
Diese Äusserung hat ihn einige Ehrungen, Würdigungen und Auszeichnungen gekostet, die er altersbedingt und in Würdigung seines Lebenswerkes vermutlich noch erhalten hätte.

Die Bilder von den Flugzeugen, die in die Twin-Towers krachen, sind in unserer aller Köpfe. Die Terroristen haben in einer konzertierten Aktion ein Werk geschaffen, das Live gesendet wurde und bei fast jedem Menschen auf diesem Planeten eine Assoziation hervorruft.

Bleibt die Frage, ob dieses Merkmal Kunst ist?
Letztlich hat er damit Recht – auch wenn er sich damit insofern widerspricht, dass Kunst primär abstrakt und mit dem Verstand erfahrbar sein muss.
Aber vielleicht ist Kunst auch etwas, das nicht unbedingt zur Nachahmung geeignet ist.

Ich gruesse hiermit meinen ehem. Kollegen Prof. Dr. Stange-Elbe und wünsche ihm Erfolg auf seinem schweren Weg, das Werk Stockhausens weiterzuführen und vielleicht wieder etwas ganz Neues zu schaffen.

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-m*sh- [Opinion inside]

  1. Brunopolik says:

    Ich behaupte mal einfach:
    Stockhausens Definition von Kunst ist schlüssig. Kunst ohne Verstand, also ohne Logik, kann keine Kunst sein, weil damit alles Kunst wäre – also auch Ereignisse wie nine-eleven. Insofern war seine altersbedingte Äußerung schlicht falsch. Aber: Kunst außerhalb von Logik, wie es meine Poetry ist, nämlich Sprache außerhalb sprachlicher Logik, ist sehr wohl Kunst. Weil sie nämlich nur über den Verstand als Kunst verstanden und begriffen werden kann und in der Lage ist, die Ebene der Emotion, der Gefühle und Empfindungen, also der Ästhetik zu überwinden.

  2. Arno says:

    Mein Problem, besonders mit moderner Kunst, ist die Notwendigkeit, daß ich Kunst studieren müßte, um die Aussagen der Künstler auch nur näherungsweise zu verstehen.

    Viele Künstler behaupten, sie wollten eine “Message” vermitteln, bedienen sich jedoch dazu einer Geheimsprache.

  3. Kunst ist alles, was von einem Künstler zu Kunst erklärt wird. Dabei wäre es fatal, irgendwelche einleuchtenden Erklärungen zu bringen. Je verworrener, abseitiger, ausgeflippter und unverständlicher die Erklärung, desto größer die Kunst.

    Den Unterscheid macht wirklich nur die Erklärung. Und es kann einfach alles als “Kunst” deklariert werden. Kein Problem!

    • sha-mash says:

      Ein Werk kann Kunst sein. Aber ein wirklicher Kuenstler schafft mehr als nur EIN Werk.
      In der heutigen Zeit versuchen auch viele sogenannte Kuenstler, die vielleicht einmal ein Werk abgeliefert haben, durch exzentrisches Gebaren aufzufallen und so ihr Lebenswerk zur Kunstform zu erklaeren.
      Mag ein jeder selbst entscheiden, was er davon haelt.
      -m*sh-

    • Kunst kann vieles sein und sogar so etwas woran man gar nicht denkt das es Kunst sein könnte. Ich erwähne da nur einmal die Documenta in Kassel was da alles unter den Begriff Kunst fällt, da habe ich sogar gstaunt.
      Gruß
      Briiefkästen smartie