Klar ist das ein gefundenes Fressen fuer unseren Innenminister – ach was fuer alle Innenminister – wenn man einen spektakulaeren Anschlag (oder zumindest dessen Planung) aufdeckt. Man kann nun noch mehr Ueberwachung durchsetzen und die Grundrechte der Buerger im sogenannten Interesse der Allgemeinheit noch weiter einschraenken.
Doch lesen wir zunaechst ein wenig zwischen den – unterm Strich widerspruechlichen – Zeilen, die uns die Weltpresse so um die Ohren schlaegt:
Die altehrwuerdige Times:
SOME WILL SEE this as a good week to bury liberal scruples. Prepare yourself for the distinct possibility of a flight home by the Prime Minister, a recall of Parliament, one of those impassioned rallying speeches at which Tony Blair excels, and for renewed talk that ?the rules of the game have changed?. Prepare yourself for a crude conflation of Israeli war aims with the security of the West, and of Hezbollah with al-Qaeda and Sunni insurgency. Prepare for a Reid-fest on the airwaves, and for renewed muttering about arrest withouttrial, house arrest and shifting the burden of evidence. ?Join up the dots,? Mr Blair urged us last week. This weekend, dot-joiners will be on the rampage.
Wir kastrieren unsere Freiheiten, Buergerrechte und Ersparnisse. Darueber hinaus wird dieses – wie jedes andere Grossereignis von den Herrschenden ausgeschlachtet um verlorene Punkte wettzumachen (Blair hat derzeit keinen Rueckhalt in der Bevoelkerung).
Die spanishe Zeitung El Pais zitiert Reid hingegen sogar auf diese Weise:
Reid no quiso entrar en detalles sobre la orientación religiosa de los sospechosos y evitó opinar sobre el escepticismo que las redadas han provocado en algunos círculos musulmanes de Reino Unido. “Los terroristas no distinguen sobre la base del sexo, extracto social, edad o religión. Se cobran vidas independientemente del origen religioso y étnico de la gente. Es una amenaza común a todos nosotros, a cada sección de la sociedad, y debemos responder a ella con un propósito y una solidaridad unitarios. Éste es nuestro más preciado activo y deberíamos protegerlo en todas las secciones de la comunidad”, defendió el ministro en conferencia de prensa.
Hmm, da werden die Ziele immer verwaschener und der bislang klar erkennbare Feind [Muahuahua] steht ploetzlich gar nicht mehr so zweifelsfrei identifizierbar da.
Der Spiegel beschreibt zwar die Festgenommenen als ‘normale Durchschnittstypen’, im Gegensatz zu den RTL-Nachrichten (heute morgen um 0:00 Uhr), in denen eben dieses Durchschnittstypendasein als neue Masche der Jihad-Kaempfer praesentiert wurde, werden in dem Spiegelartikel jedoch die meisten der Festgenommenen als ausgepraegte Konvertiten dargestellt:
Ein zweiter Verdächtiger, der sich auf der Liste findet, ist Abdul Waheed. Er hieß nach Angaben von SkyNews bis vor wenigen Monaten noch Don Stewart-Whyte und stammt aus High Wycombe. Vor einem halben Jahr sei er zum Islam konvertiert und habe sich einen Vollbart wachsen lassen, heißt es auf der Website des Senders. “Früher hat er Joints geraucht und viel getrunken”, zitiert SkyNews einen Nachbarn, “aber er hat sich total verändert.” Unbestätigten Berichten zufolge ist Waheed der Sohn eines ehemaligen konservativen Politikstrategen.
Das entspricht IMHO nicht dem gaengigen Bild des Schlaefers, der seinen Bart abrasiert, um nicht aufzufallen, wenn er sich nun erst mal einen wachsen laesst …
Die Neue Zuericher Zeitung brachte gestern in den Details zu den Ermittlungen in Bezug auf die Anschlaege sogar fast einen Beweis fuer die Bedrohung, die durch diese Gruppe ausging:
Bei weiteren Razzien in Grossbritannien sei mindestens eine Tonbandaufnahme gefunden worden, auf der einer der mutmasslichen Attentäter von einem möglichen Märtyrertod spricht.
Hallo?!
Da ich ueber dieses Thema schreibe wuerde man auf meiner Festplatte auch Aufzeichnungen finden in denen ich vom (oder besser ueber den) Maertyrertod schreibe …
Ausserdem wird in anderen Artikeln nicht von einem Tonband sondern von einem Video gesprochen. Offenbar sind das alles sehr vage Beweise. Vor allem angesichts der Anzahl von 23 Festnahmen. Ein einziges Tonband! Gigantisch.
Ach ja, dann erwaehnt der Artikel noch, dass man bei der Beobachtung der Konten festgestellt haette, wie groessere Summe hin und her bewegt wurden.
Das ist latuernich verdaechtig. Ich werde also kuenftig nur noch Gebrauchtwagen kaufen, damit ich beim Kauf eines Neuwages nicht in den Verdacht komme groessere Summen hin und her zu bewegen …
BTW, wenn sich eine Terrorgruppe mit Fluessigsprengstoff fuer acht Euro aus dem Baumarkt, ein paar MP3-Playern plus einer handvoll Digicams von eBay eindeckt, dann muss sie hierzu latuernich groessere Summen verschieben. Oder haben die Selbstmordattentaeter das Geld fuer ihre Altersvorsorge zurueckgelegt???
Uebrigens schrieben sowohl die NZZ als auch El Pais, dass sich unter den Festgenommenen der Kopf der Bande befinde. Andere Medien hingegen vertreten die Meinung, dass dieser noch auf der Flucht sei. Wenn man bedenkt, dass diese Gruppe laut NZZ seit einem Jahr vom britischen Inlandsgeheimdienst MI5 observiert wurde, hat man also nicht wirklich viele Erkenntnisse ueber diese potentiellen Attentaeter.
All diese widerspruechlichen Meldungen bringen mich nun zu der Frage, wie kam man eigentlich dazu, dieses Attentat zu verhindern?
Nun, wie mittlerweile allgemein bekannt ist, wurden in Pakistan zunaechst zwei Muslims englischer Herkunft festgenommen (und spaeter noch fuenf weitere Pakistanis, die mit den ersten beiden in Kontakt gestanden haben sollen). Nach mehrtaegigen Verhoeren durch den pakistanischen Sicherheitsdienst hatte man Namen und Adressen der ersten neunzehn Tatverdaechtigen fuer die Anschlaege auf die Transatlantikfluege. (Mittlerweile wurden noch fuenf weitere Maenner in diesem Zusammenhang festgenommen und einer wieder freigelassen. Nach fuenf potentiellen Terroristen wird noch gefahndet).
Die englischen Behoerden erklaeren uebereinstimmend mit Scotland Yard, dass die Bedrohungslage eine umgehende Festnahme des so ermittelten Personenkreises erforderlich machte und die umfassend getroffenen Massnahmen am Londoner Grossflughafen Heathrow rechtfertigten.
Hmmm. Klingt fuer mich nicht wirklich ueberzeugend. Zwei Muslims mit englischen Reisepaessen werden in Pakistan verhaftet und vom dortigen Sicherheitsdienst (tagelang) verhoert. Also schon die Sicherheitsdienste der sogenannten demokratischen und zivilisierten Welt, namentlich der CIA, haben mittlerweile keinen guten Ruf mehr, was ihre Verhoermethoden angeht.
Ich bin gewiss kein Weichei, trotzdem wuerde ich vermutlich auch nach 36-48 Stunden in einem Verhoer durch den pakistanischen Sicherheitsdienst mein komplettes Adressbuechlein herausruecken und zugeben, dass wir eine terroristische Zelle bilden, die sich dem Djihad verschrieben hat …
Vielleicht heisst es spaeter mal in den Geschichtsbuechern ‘Pakistan war ein armes Land und brauchte das Geld’. Doch Spass beiseite, Tony Blair haette nichts besseres passieren koennen. Dafuer unterbricht man doch gerne seinen Urlaub. Ausserdem kann man nun endlich dem britischen/kritischen Volk ein paar Gegenargumente liefern:
Ueberwachung ist sinnvoll
Bislang wurde den Unterstuetzern der Totalueberwachung, die in GB noch viel weiter geht, als bei uns, immer vorgeworfen, die Ueberwachung bringe erst hinterher etwas; also wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
Ein Erfolg im Vorfeld der Anschlaege hingegen beweist die Effizienz der Ermittlungsbehoerden und nimmt den Kritikern den Wind aus den Segeln.
Ein jeder mag sich die Standard-Frage eines jeden Kriminologen selbst beantworten: Quid Bono?
Wem nuetzt dieses ganze Bohei?
Meines Erachtens nur den Hardlinern unter den Politikern, die gerne Angst schueren um ihre eigenen, fragwuerdigen Ziele zu realisieren.
Andersherum gefragt: Wem schadet es?
Das moege sich ein jeder selbst beantworten, der in den naechsten Tagen oder Wochen einen Urlaubsflug geplant hat und nun entweder gar kein Handgepaeck mehr in die Maschine mitnehmen darf – oder zumindest keine Fluessigkeiten.
Schon mal Durst gehabt im Flieger – und die Stewardess kam ewig nicht? Oder mit kleinen Kindern unterwegs gewesen?
Diese Terroristenhatz schadet mehr als dass sie nuetzt.
Wir geben Freiheiten – fuer die unsere Vorfahren jahrhundertelang gekaempft haben – auf, zugunsten einer fragwuerdigen Sicherheit, die unsere Rechte, unser Leben und unsere Demokratie einschraenkt, und doch nie erreichbar sein wird.
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Interessant geschrieben. Ich hatte mich gestern eher spontan spontan dazu geaeussert. Was ich gefaehrlich finde, ist die Unzuverlaessigkeit der Nachrichten ansich. Bush und Blair glaube ich spaetestens seit dem Irak gleich gar nichts mehr. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass man beim kleinsten Zweifel gleich in die Fox-Mulder-Verschwoerungstheorien-Ecke gestellt wird. Warte mal, bis jeder, der bei so einer Nachricht nicht hurra schreit, gleich auf die Nichtpartiotenlist kommt. McCarthy haette seine helle Freude an der heutigen Zeit. Wir koennen wohl ohne Kalten Krieg nicht leben. 🙁
Die Nazis sind mit ihrer plumpen Herrenmenschen-Masche auf die Schnauze gefallen. Die Neocons haben es cleverer angestellt und schon fast geschafft. Chaos, Verunsicherung, Panikmache und Desinformation sind die Instrumente, mit denen der gemeine Mob unter die Knute der Handvoll elitärer “Wissenden”, der neuen Übermenschen also, gezwungen wird.
Ich selbst habe bislang noch nie viel von Verschwoerungstheorien gehalten, aber die unausgegorene, lueckenhafte und widerspruechliche Berichterstattung zu diesem Themenkreis legt manchmal doch den Verdacht nahe, dass – wenn auch keine Verschwoerung im Spiel ist – das Feuer am glimmen gehalten wird, weil einige Leute gelernt haben mit (oder an) dem sog. internationalen Terrorismus Geld zu verdienen.
-m*sh-